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Ursprung und geschichtliche Entwicklung der Konduktiven Förderung und der Ausbildung

Das Konduktive Fördersystem und die Konduktive Pädagogik wurden von dem Arzt Dr. András Petö in den 1940er und 1950er-Jahren in Ungarn entwickelt.
Die Theorie der Konduktiven Förderung baut auf die Überzeugung auf, dass selbst Menschen mit schweren multiplen Beeinträchtigungen bildungsfähig sind.
Petö ging davon aus, dass eine Behinderung – durch die vielfältigen Beeinträchtigungen, Auswirkungen und Symptomen – einen umfassenden Lernhinderniss verursacht und die gesamte Persönlichkeitsentwicklung beeinflusst. Dementsprechend sollen die Folgen einer Behinderung durch einen komplexen Lernprozess gemildert werden können.

Dr. András Petö stammt aus Westungarn und studierte zwischen 1911 und 1921 Medizin in Wien. Er arbeitete hier anschließend als Mediziner und Wissenschaftler in verschiedenen Fachbereichen und hatte leitende Positionen inne. Als Forscher und Fachautor beschäftigte er sich unter Anderem mit der Verbindung verschiedener Heilmethoden, mit Naturmedizin, Psychotherapie und Pädagogik. Er hatte vielfältige Interessen und war z.B. Chefredakteur der Zeitschrift  Biologischer Heilkunst  sowie Direktor der Buchdruckerei Radebeul bei Dresden, welche u.A. den Zeitschrift für Psychotherapie herausgab.
 
Er kehrte 1938 nach Ungarn zurück und wurde beauftragt mit schwerbehinderten Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Nutzend seiner Kenntnisse und  Erfahrungen aus vielen Fachbereichen arbeitete er das System der Konduktiven Förderung und Pädagogik aus.
Sein Grundprinzip stellte die Förderung einer vielseitigen Persönlichkeitsentwicklung, der Selbstverwirklichung und Kreativität im Vordergrund. Dies war entgegengesetzt der damaligen Lehrmeinung, welche den Schwerpunkt auf die reine Verbesserung der motorischen Funktionen legte.  Die ganzheitliche Ansatz Petös sowie die Verbindung von Erkenntnissen aus verschiedenen Fachbereichen in einer eigenständigen Fördersystem wurde damals nur von wenigen akzeptiert.

Bereits vor gut 70 Jahren verfolgte Andás Petö dem Ziel, Menschen mit Behinderung Kompetenzen und Fähigkeiten zu vermitteln, welche die Teilhabe im Leben der Gesellschaft sowie eine möglichst selbstbestimmte Lebensführung ermöglichten.

Er leitete die Abteilung für Bewegungstherapie am Heilpädagogischen Erziehungsinstitut in Budapest und wurde 1947 zum Hochschulprofessor der Heilpädagogischen Hochschule für Lehrerausbildung (vergleichbar mit Heilpädagogik und Lehramt für Sonderschulen) berufen. Ein Jahr später wurde er Direktor des neugegründeten Staatsinstituts für Bewegungstherapie und Lehrstuhlinhaber für Bewegungstherapie.
Die Erfolge seines Instituts sprachen für sich. Es wurde jedoch nicht verstanden, dass Petö die motorische Förderung auf pädagogischem Wege, im Zusammenhang mit Bildung und Förderung der gesamten Persönlichkeit aufgebaut und erzielt hat. Das Institut wurde im Gesundheitswesen eingeordnet und den Studenten der Heilpädagogik konnte die Konduktive Förderung nicht mehr unterrichtet werden.
Der pädagogische Charakter der Förderung wurde jedoch mit der Zeit erkannt und anerkannt. 
1963 gelangte das Institut zum Kultusministerium zurück und die Notwendigkeit einer spezifischen Konduktorenausbildung wurde eingesehen. 
Ab 1965 konnten Fachleute, die seit vielen Jahren im Institut arbeiteten eine zweijährige Fachausbildung (vergleichbar mit einer Fachakademie) zur Konduktorin / zum Konduktor absolvieren. Eine vierjährige, grundständige Ausbildung wurde 1968 eingerichtet.
1987 wurde in der Petö András Institut für Erziehung von und Erzieherausbildung für Körperbehinderte (MPANNI) der erste Diplomstudiengang in Kooperation mit der Budapester Hochschule für Lehramt in Grundschulen eingerichtet.
Seit 2003 bildet das Internationale Petö Institut als eigene Hochschule KonduktorInnen aus.
2006 wurde der Bachelor Studiengang für KonduktorIn- GrundschullehrerIn sowie für KonduktorIn- KindergartenpädagogIn akkreditiert.
Seit 2015 trägt die Hochschule den Namen Petö András Hochschule [1].

Krisztina Desits, 2015

Quelle:
Hári, Horváth, Kozma, Kökúti: Das Petö System-Prinzipien und Praxis der konduktiven Erziehung, Internationales Petö Institut (Hrsg), 1992
Hári Mária: A Konduktiv Pedagógia Története, MPANNI Budapest, 1997

 [1]www.peto.hu

 

Entwicklung der Konduktiven Förderung und der Ausbildung in Deutschland

Bereits in den 1960-er Jahren erschienen Veröffentlichungen über die Konduktive Förderung in Deutschland. Ab 1985 entstand ein „Therapietourismus“ von hilfesuchenden Eltern in das Petö Institut in Budapest.
Diesem folgte 1990-1992 die erste klinische Studie mit wissenschaftlicher Begleitung von Prof. K. Weber und Dr. M. Rochel in der Taunusklinik Falkenstein/Königstein[1].
1990 hielt Prof. K. Weber mit der Unterstützung von Frau B. Höß-Zenker den ersten Workshop über die Konduktive Förderung für Mitarbeiter der Stiftung Pfennigparade in München.
1990 wurden erste Angebote für Konduktive Förderung geschaffen, wie die Igelgruppe unter der Leitung von S. Woelky in der Spastikerhilfe eG. in Berlin. Es folgten die ersten Elternvereine, wie der Verein Schritt für Schritt e.V., gegründet von W. Vogt und B. Jürs 1992 in Hamburg sowie der Verein FortSchritt, gegründet von H. und P. von Quadt 1994 in Starnberg[2]. 
1995 wurden weitere Vereine gegründet und auch bestehende Einrichtungen boten die Konduktive Förderung an: der FortSchritt Würzburg e.V., der Fortschritt im Revier e.V. in Oberhausen sowie die Konduktive Förderung des Vereins für Menschen mit Körperbehinderung Nürnberg e.V.[3]. Diese stellten KonduktorInnen aus Ungarn an und organisierten Förderblöcke und Förderwochen in Kooperation mit dem Internationalen Petö András Institut in Budapest.
In 1995 startete die Stiftung Pfennigparade in München, die erste konduktive Fördergruppe für Kinder mit einem Team von drei Fachleuten.
Ein Jahr später wurde die erste konduktive Schulklasse in der Pfennigparade eröffnet, und langfristige Folgeprojekte wurden zwischen 1996 und 1999 durchgeführt.  
Die Erfolg der konduktiven Schulklassen führte zwischen den Jahren 1997 und 2000 zu einer Pilotprojekt des Bayerischen Kultusministeriums mit der Teilnahme von Förderschulen in München, Nürnberg, Würzburg und Kempten.[4]
1998 existierten bereits 17 FortSchritt Vereine und gündeten den Bundesverband Fortschritt e.V. – Vorgänger des heutigen Bundesverband Konduktive Förderung nach Petö e.V.[5] . Im gleichen Jahr wurde der Berufsverband unter den Namen Bundesverband der in Deutschland tätigen KonduktorInnen e.V. [6] gegründet.
1996-2001 lief ein hochdotiertes Modellprojekt im Auftrag des Verbandes der Angestellten Krankenkassen e.V. (VDAK) und des Arbeiter-Ersatzkassen-Verbandes (AEV) unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. H. v. Voss und Dr. Rainer Blank von Kinderzentrum München. Die Konduktive Förderung wurde in Blöcken von KonduktorInnen des Petö András Instituts, Budapest unter der Leitung von Prof. E. Balogh und Prof. I. Kozma durchgeführt.
2005 wurden die Ergebnisse des Modellprojekts vom Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (GBA) veröffentlicht.[7] Im Ergebnis wurde die Konduktive Förderung vom GBA als nicht leistungspflichtiges Heilmittel anerkannt.[8]
2005-2009 leitete Prof. R. Lelgemann, Universität Würzburg, ein wissenschaftliches Projekt über die Konduktive Förderung in einer integrativen Partnerschulklasse der Förderzentrum in Aschau  und der Grundschule in Rohrdorf in Bayern.[9]
In 2004 wurde das neue Gebäude des Phoenix Konduktives Förderzentrum der Stiftung Pfennigparade eröffnet mit besonderer Architektur und Einrichtung für eine konduktive Grund- und Mittelschule, Kindergarten und Internat.
Die Finanzierung der Konduktiven Förderung basierte von Anfang an auf individuellen Verhandlungen zwischen Anbieter oder Betroffenen und die Kostenträger der Eingliederungshilfe sowie der Krankenkassen. Nach der inhaltlich gegensätzlichen Entscheidungen der GBA in 2005 und des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. September 2003 war jedoch die Finanzierung der Konduktiven Förderung weder über die Eingliederungshilfe noch durch die gesetzlichen Krankenversichung möglich.
Erst die Entscheidung des BSG vom 29. September 2009, welche die Konduktive Förderung in einem Einzelfall als Leistung der Eingliederungshilfe anerkannte, eröffnete neue Möglichkeiten für die Finanzierung.[11][12]
In 2000 startete der erste Weiterbildungslehrgang zum/zur Pädagogisch-therapeutische(r) KonduktorIn (PtK) für Fachleute aus der Rehabilitation, Bildung und Erziehung. Der zweijährige Weiterbildungslehrgang wurde vom Phoenix Akademie des Phoenix Konduktiven Förderzentrums der Stiftung Pfennigparade im Zusammenarbeit mit den Bayerischen Staatsministerien für Bildung und Kultus sowie Soziales und Arbeit angeboten und durchgeführt. Die Inhalte des Lehrganges basierten auf die Studieninhalte der Konduktorenausbildung in Ungarn und auf die Ergebnisse des Comenius Projektes zwischen den Jahren 2000 und 2003.[13] 
Der Lehrgang wurde bis 2015 von Dr. A. Baumann, M. Stelczerne-Oberszt und B. Höß-Zenker geleitet und mit internationalen Referenten durchgeführt.
Die Einführung des Weiterbildungslehrgangs für Lehrer, Erzieher und Therapeuten hat ermöglicht die Konduktive Förderung in Regelschulen, Kindergärten und Förderzentren zu etablieren [14] [15] und war ein Meilenstein auf dem Weg zu einer eigenständigen deutschen Konduktorenausbildung. Nach der Beendung des Weiterbildungslehrganges richten sich die Bestrebungen auf die Einrichtung eines Bachelor (BA) Studienganges für Konduktive Pädagogik nach ungarischem und britischem Vorbild. Ein erster Schritt in dieser Richtung kann die Fachrichtung Konduktiver Förderung in der im 2017 startenden BA Studiengang für Heilpädagogik unter der Leitung von Prof. D. Lotz in der Evangelischen Hochschule Nürnberg (EVHN) [16] sein.

Krisztina Desits, 2015

[1]Pilotstudie Weber-Rochel, Königstein 1991-1992:Konduktive Förderung für Zerebralgeschädigte Kinder, Forschungsbericht Nr. 224, Bundesministerium für Arbeit und Soziales
[2]Chronik Fortschritt, http://www.fortschritt-ggmbh.de/foerderverein-fortschritt-starnberg-ev/chronik/index.html
[3]20 Jahre Konduktive Förderung, Verein für Menschen mit Körperbehinderung e.V. (Hrsg.), 2015
[4]Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung, www.isb.bayern.de 
[5]www.bkf-petoe.de
[6]www.konduktorenverband.de
[7]Voss/Blank, Modellprojekt Petö, ErsK 2002 
[8]Integration Konduktiver förderung in das Rehabilitations- und bildungssystem für Menschen mit Behinderung in Deutschland, Fachausschuss Konduktive Förderung (Hrsg.) im Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V.(bvkm);
Rechtliche Grundlagen für die Finanzierung der Konduktiven Förderung, 4.1.2.c), Seite 26
[9]Lelgemann, R. & Quandt, J. (2010): Das bayerische Außenklassenmodell als Möglichkeit der Integration körperlich und mehrfach beeinträchtigter Schülerinnen und Schüler. In: Zeitschrift für Heilpädagogik. Heft 6/ 
[10] www.phoenix-kf.de
[11]Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. September 2009 - AZ. B 8 SO 19/08 R
[12]www.konduktorenverband.de, Service, Rechtsprechung
[13] Comenius 2000: 87886 CP-1-AT-2000-COMENIUS-C31
[14] www.phoenix-kf.de
[15] Quelle: Conductive Education-A Glossary,  An outcome of a 
Leonardo Partnership Project 2010 – 2012, within the European Commission’s Lifelong Learning Programme, www.conductiveeducation.eu
[16] www.evhn.de